Der Bundesgerichtshof hat heute der Klage einer Wohnungseigentümergemeinschaft stattgegeben, die sich gegen die nächtliche Nutzung einer als „Laden“ ausgewiesenen Teileigentumseinheit als Gaststätte wendet.
Die beklagte Teileigentümerin erwarb 1995 ihre Einheit, die in der Teilungserklärung als „Ladenraum“ bezeichnet wird. Darin betreibt ihr Neffe eine Gaststätte, die nach Freigabe der Öffnungszeiten jedenfalls seit dem Jahr 2007 bis in die frühen Morgenstunden geöffnet ist. In der Eigentümerversammlung vom 10. Mai 2011 wurde ein inzwischen bestandskräftiger Beschluss gefasst, wonach „die derzeit vorhandenen Gaststätten und Restaurantbetriebe bis ein Uhr nachts geöffnet sein dürfen“ und die Hausverwaltung zur gerichtlichen Durchsetzung beauftragt und bevollmächtigt wurde. Die Klage, mit der erreicht werden soll, dass die Beklagte die Gaststätte nicht nach ein Uhr nachts betreiben und offen halten darf, hat das Amtsgericht abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos gewesen. Auf die Revision der Klägerin hat der für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Beklagte nunmehr dem Antrag entsprechend verurteilt.
Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, dass – entgegen der Auffassung der Vorinstanzen – der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung im Sinne von § 242 BGB* in Gestalt der sogenannten Verwirkung dem auf die nächtlichen Öffnungszeiten beschränkten Unterlassungsanspruch der Kläger nach § 1004 BGB**, § 15 Abs. 3 WEG*** nicht entgegensteht. Selbst wenn ein Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Nutzung als Gaststätte vor ein Uhr nachts wegen der jahrzehntelangen Duldung verwirkt sein sollte, ist die Beklagte nicht so zu stellen, als diente ihre Teileigentumseinheit als Gaststätte. Die Verwirkung eines Unterlassungsanspruchs wegen der zweckwidrigen Nutzung einer Teileigentumseinheit schützt deren Eigentümer nämlich nur davor, dass er das bislang geduldete Verhalten ändern oder aufgeben muss, begründet aber nicht das Recht, neue nachteilige Veränderungen vorzunehmen. Um neue und qualitativ eigenständige Störungen geht es hier, weil die Gaststätte vor dem Jahr 2007 nicht in den Nachtstunden betrieben worden ist.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Dient eine Teileigentumseinheit nach der Teilungserklärung als Laden, darf sie grundsätzlich nicht als Gaststätte genutzt werden. Allerdings kann sich eine nach dem vereinbarten Zweck ausgeschlossene Nutzung als zulässig erweisen, wenn sie bei typisierender Betrachtungsweise nicht mehr stört als die vorgesehene Nutzung. Entscheidend ist dabei, dass eine solche anderweitige Nutzung die übrigen Wohnungseigentümer nicht über das Maß hinaus beeinträchtigt, das bei einer Nutzung zu dem vereinbarten Zweck typischerweise zu erwarten ist. Davon kann hier schon deshalb keine Rede sein, weil die Wohnanlage der Parteien im Saarland belegen ist und Läden dort – anders als Gaststätten – zur Nachtzeit geschlossen sein müssen.
*§ 242 BGB Leistung nach Treu und Glauben
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
**§ 1004 BGB Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch
(1) 1Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. 2Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
***§ 15 WEG Gebrauchsregelung
(3) Jeder Wohnungseigentümer kann einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile (…) verlangen, der (…) den Vereinbarungen (…) entspricht.
AG Saarbrücken – Urteil vom 15. November 2012 – 36 C 124/12 (12)
LG Saarbrücken – Urteil vom 18. Juni 2014 – 5 S 297/12
Karlsruhe, den 10. Juli 2015
Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 10.07.2015